Pflegekind lieben

Hallo zusammen, ich weiß eigentlich nicht wie ich das hier starten soll…

Also seit letztem Jahr lebt unsere Nichte (9) bei uns zur Pflege. Sie kam zu uns weil ihre vorherige Pflegemutter (meine Mutter, ihre Oma) nicht zurecht kam und sie ins Heim stecken wollte.
Theoretisch hatten wir keine Wahl als sie zu uns zu nehmen, haben es aber natürlich gerne gemacht und haben sie auch gerne bei uns.
Leider hat sie durch ihre Vergangenheit ein dickes Päckchen im Schlepptau.
Wir wissen einfach nicht wie wir sie lieben sollen … das hört sich blöd an aber sie provoziert, ärgert unsere Tochter (3), nimmt uns, und vor allem mich, nicht für voll, und macht einfach immer genau das was sie nicht soll.

Das erschwert diese Liebe so immens, weil ich einfach so kraftlos bin nachdem ich den ganzen Tag meine gesamte Energie da reinstecke, und es morgens genau so weiter geht.

Gibt es hier vielleicht Eltern, die Ähnliches erleben oder erlebt haben und habt ihr Tips?

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Was ich mir in solchen Situationen immer gesagt habe, als große Schwester eines Pfkegekindes: Sie prüft nur, ob wir sie bedingungslos lieben und sie sich unserer Stärke und Zuverlässigkeit sicher sein kann. Wenn wir das aushalten, dann wird sie irgendwann spüren, dass wir wirklich für sie da bleiben und dann kann sie sich auf uns einlassen. Also in jeder extremen Situation, habe ich mir gesagt, jetzt beweise ihr dass ich sie als „Echte“ Schwester liebe. So haben meine Eltern es mir erklärt(ich war im teeniealter). Also wenn ich es jetzt richtig verstanden habe, ging es jetzt ja nicht um Ratschläge oder Tipps für Diagnostik, sondern nur darum, wie man das besser aushalten kann/ mit umgehen kann.
Meine Eltern haben sich auch regelmäßig Auszeit für ein Wochenende genommen(2-3 jährlich). Aber da war ich halt auch zum aufpassen da, deshalb ging das. Oder Mama ist alleine los und wir waren mit meinem Papa zuhause. Tatsächlich war die Pubertät bei ihr dann eher entspannt, weil wir bis dahin zusammengewachsen sind.
Also meine Tipps:
Auszeit nehmen, dir klarmachen, dass es nicht gegen euch ist, sondern dass sie sich vergewissert, dass ihr stark genug seid.
Diagnostik, Psychotherapie usw ist dann natürlich das zweite Standbein, aber das läuft ja.
Und reden, Austausch mit anderen.

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Hey!

Ist deine Nichte/Pflegetochter denn gesund?
Erhält sie eine Therapie, um die ganzen Wechsel (Bindungsabbruch zur Mutter und Oma) zu verarbeiten?


Liebe Grüße
Schoko

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Bisher wurde ADS in den Raum geworfen und vom vorherigen Psychologen hat sie Medikamente für die Konzentration verschrieben bekommen, ich mag den aber nicht weil ich den für nicht kompetent genug halte und wir haben nun Ende Februar den Termin bei einem neuen Psychologen.
Sie erhält ein mal die Woche eine Therapie die sich Sandspieltherapie nennt.
Zudem hat sie eine sehr stark ausgeprägte Dyskalkulie und LRS, könnte mit dem Alkoholkonsum der Mutter zutun gehabt haben, aber sie selbst streitet den Konsum ab, ich würde es allerdings gerne testen lassen, eventuell besteht das FAS.

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Geht ihr wirklich zum Psychologen zur Diagnostik?
Ich würde euch da eher zu einer adhs-Amulanz in einer Uniklinik (LWL Klinik in Dortmund) raten. Ich selbst wurde in Essen getestet und würde euch daher eine größere Klinik empfehlen.

An FAS habe ich leider auch direkt gedacht- da würde ich zum Spezialisten gehen, der das auch ordentlich von ADHS abgrenzen kann.

LRS und Dyskalkulie gehen mit FAS oft einher. Ist ihr IQ schon getestet worden?

Bearbeitet von schokofrosch
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Das Frage ich mich auch oft.
Ich kann meinen Neffen nicht in mein Herz lassen, er hat auch ein großes Päckchen zu tragen.

Die Situation usw, und ich weiß das er eben nicht anders kann aber trotzdem fällt es mir schwer.

Ganz ehrlich, ich denke sie spürt es. Manchmal ist die Frage, ob Familie da wirklich die bessere Option ist.
Mein Neffe wird auch bei seiner Oma groß. In meinen Augen haben sie vieles "falsch" gemacht, und zu wenig aufgearbeitet.
Neulich erfuhr ich, dass sie ihm auch das Heim an drohte, unmöglich. Das Kind leidet eh an Verlustängsten.

Diese Ablenkung hat sie erfahren. Ihre Mutter "wollte" sie nicht, Oma meint es zu retten, will sie dann auch nicht.
Sie kommt in eine "intakte" Familie, sie kannte es vorher wahrscheinlich nicht. Eifersucht ist bestimmt Thema bei ihr.

Da muss soviel aufgearbeitet werden. Das ist eine Herausforderung.

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es wäre wichitg einen Therapeuten mit ins Boot zu holen, èberleg mal, was sie schon für einen Rucksach tragen muss, mit 9

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Liebe Pflegemama,

ich kann dir folgende Autorin ans Herz legen. Irmela Wiemann. Adoptiv- und Pflegekindern ein Zuhause geben
Es gibt auch Videos auf Youtube die sehr viel erklären, warum sich Pflegekinder so verhalten. Lass dich sonst gerne auch vom JA oder der Deutschen Lebenshilfe begleiten. Dort sitzen die Profis die dir erklären können, warum die Kleine so reagiert. Als Adoptivmama kann ich dir Mut machen. Es sind völlig normale Anzeichen der Eingewöhnungszeit. Das Kind tut nichts gegen euch, sondern für sich! Ganz viel Kraft und Liebe und Geduld wünsche ich euch. Bleib offen und suche dir Experten die sich mit Bindungsabbrüchen auskennen. Alles Liebe!

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Eigentlich sollen Pflegekinder die jüngsten in der Familie sein (bei Aufnahme) und die leiblichen nicht zu klein, damit genau das, was bei euch gerade passiert nicht so ein großes Problem wird.
Und so alte Pflegekinder werden üblicherweise überhaupt nicht mehr in Familien vermittelt, weil sie bis dahin zu viel erlebt haben.

Wieso hattet ihr keine Wahl? Verwandtenpflege ist meines Erachtens die schwierigste Form der Pflege, ein Abbruch innerhalb der Familie und eine erneute Platzierung scheint mir gegen jede Regel zu sein.

Falls ihr es trotzdem versuchen wollt, bittet das Jugendamt um familientherapie. Das „fremde“ Kind zu lieben, während es dem eigenen schadet, halte ich für einen unerfüllbaren Anspruch.

Klärt bald, ob ihr leisten könnt und wollt, was das Kind braucht, wenn ihr ein paar Jahre rumdoktert und dann abbrecht ist dem Kind nicht geholfen und euch auch nicht.

Alles Gute für euch.

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Niemals würde ich sie aufgeben. Das steht und stand niemand zur Option.

Wir sind ihre Familie, und wenn sie sich auf uns nicht verlassen kann, auf wen dann?

Diese Abbrüche waren alles andere als sinnvoll und ich würde sie niemals wieder einen Abbruch aussetzen.

Ich persönlich finde es sinnvoll, bei der Familie untergebracht zu haben.
Sie ist ein so tolles Kind, sie würde gebrochen werden wenn sie ins Heim käme. Das ist für mich das schlimmste, was einem Kind passieren kann. Wenn das Jugendamt eine Möglichkeit sieht, dass das Kind weiterhin in gewohnter Umgebung aufwachsen soll, sei es eine Familie in dem es jünger Kinder gibt oder nicht, ist doch vollkommen egal was Vorschriften oder Empfehlungen sind, es ist das Beste für das Kind.

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Du erlebst ja gerade selbst, wieso es diese Regeln gibt.

Ich bleibe dabei: wenn ihr gemeinsam eine Chance Haben wollt, braucht ihr mindestens Familientherapie. Ansprechpartner dafür ist das Jugendamt. Gut möglich, dass sie das nicht ohne Kampf bewilligen.

Die Unterbringung in der leiblichen Familie ist üblicherweise die billigste Variante, deshalb wird es auch in (zu) schwierigen Fällen gemacht. Das heißt keineswegs, dass das Jugendamt Chancen auf Erfolg sieht. Jeder Tag, den sie bei euch ist, spart der Stadtsäckel, das ist Grund genug, um auszureizen, was geht.

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Also ich antworte mal allgemein, weil ich echt nicht mit so vielen Reaktionen gerechnet habe 😄 Danke euch allen erstmal für die Antworten.

Hier kurz ein paar Einblicke …
Meine Nichte ist seit sie 8 Monate alt ist auch mein Patenkind und das meines Mannes,
Ich bin 27 Jahre alt, sie ist 9 Jahre.
Damals, als sie zu meiner Mutter kam, war ich einfach viel zu jung, in der Ausbildung und habe mit meinem Mann in einem anderen Bundesland gelebt, wir hatten somit nicht ganz so viel zu bieten für ein gerade mal 3 jähriges Kind. Somit musste sie zwangsläufig zur Oma, weil niemand von uns zugelassen hätte, dass sie ins Heim kommt.

Nun ist meine Mutter am Ende ihrer Kräfte gewesen , … eigene Drogenabhängige Tochter, 2006 der erste Enkel der zu ihr gezogen ist, nachdem meine Schwester ihn da einfach nach der Geburt gelassen hat, 2017 dann das zweite Enkelkind (meine Nichte). Das ging ein paar Jahre gut, nachdem sie aber immer mehr abverlangt, habe ich sie übernommen weil ich heute mit meiner Familie mitten im Leben stehe, und es mir zugetraut habe. Kinderheim ist meine Option gewesen! Deshalb hatten wir quasi keine Wahl.
Ich lasse nicht zu, dass ein Kind aus meiner Familie ins Heim kommt, wenn es die Möglichkeit hat, eine leibliche Familie um sich herum zu haben.
Sie war vorher sowieso jedes Wochenende bei mir und meiner Familie, da wir sie bei allen Aktivitäten mitgenommen haben.

Natürlich war uns bewusst dass ein Kind mit Vorgeschichte, ganz gleich ob Fremdes oder eines aus der Familie, die Familienidylle etwas auseinander zerrt. Wir arbeiten daran … und ich liebe sie auch, keine Frage.
Nur eben nicht so sehr wie mein eigenes Kind.
Aber ich würde es so gerne … weil sie ein so tolles Mädchen ist und es einfach verdient, aufrichtig geliebt zu werden.

Dazu kommt, ich bin gerade schwanger und leider ist diese Schwangerschaft nicht ganz so wie meine erste, ich bin gereizt, ständig müde und wenn meine Nichte dann die kleine ärgert, ihr Sachen wegnimmt und und und, bringt mich das einfach so auf die Palme, dass ich mich absolut nicht ordnen kann. Es fällt unglaublich schwer.

Wichtig waren mir einfach ähnliche Erfahrungen über die ich auch wirklich sehr dankbar bin 🥰

Zudem … wir sind in JA Betreuung und haben eine Familienhilfe, alle anderen Schritte, die mit Diagnostik und aufarbeiten des Erlebten meiner Nichte zutun haben, stehen an, da sind wir wirklich gut beraten. ☺️

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Wieso hast du den Anspruch an dich, dass du sie lieben musst?
Ich bin Pädagogin und finde es dermaßen schwierig was Pflegeeltern auf sich nehmen. Ich persönlich könnte es nicht, auch wenn es meine Nichte wäre . Bleib da gut im Gespräch mit deinem Mann und vorallem auch bei dir. Was kannst du wirklich leisten? Was ist zu viel und überfordernd für eure Familie?

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Ich habe den Anspruch an mich, weil ich finde, dass sie es verdient hat, geliebt zu werden.
Jedes Kind hat verdient geliebt zu werden, keines dieser Kinder hat es sich ausgesucht, in welchem Verhältnis es aufwächst.

Ich denke einfach, dass ich aus ihr kein selbstbewusstes Kind machen kann (erziehungstechnisch), wenn sie keine Liebe von ihren Eltern (auch wenn es nur Pflegeeltern sind) bekommt. Wenn ich ihr keine Liebe schenke, wie soll sie lernen aufrichtig Lieben zu können?

Ich bin mit meinem Mann wirklich immer im Gespräch, wir stehen beide hinter der Sache dass sie bei uns lebt und wir ihr ein glückliches Leben schenken wollen, weil wir selbst keine guten Kindheiten hatten und es ganz klar an unseren Eltern gelegen hat.
Dadurch möchte ich es ja, ich möchte diesem Kind eine Möglichkeit geben, glücklich im liebevollen Elternhaus aufzuwachsen.
Deshalb wollte ich gerne Meinungen, Tipps und vielleicht auch Erfahrungen weil ich selbst über mich wachsen will und alles geben möchte, was ich zu geben habe. Es ist nur eben schwer, gerade wenn man selbst niemals liebe gespürt hat… man darf ja nicht vergessen dass mich der Mensch großgezogen hat, der es auch bei meiner Nichte versucht hat, aber gescheitert ist.