Wie ermutigt man einen Erwachsenen zu mehr Selbstständigkeit?

Hallo,
wie sich wahrscheinlich viele denken, geht es um meinen Mann. Kurze Zusammenfassung: Ich mache unsere Steuererklärung und suche seine Unterlagen zusammen, mache seine Termine, seinen Elterngeld- und Urlaubsantrag, war mit ihm zur Beantragung seines Personalausweises und habe ihm kleinschrittig erklärt, wann und wie er ihn abholt. Warum? Weil es sonst nicht gemacht wird. Ich würde es zwar gerne laufen lassen, aber ihn stört es nicht, wenn die Fristen verstreichen und ich hänge mit drin. Keine Steuererklärung, kein Elterngeld =uns fehlt das Geld. Kein Personalausweis, kein Urlaubsantrag = kein Familienurlaub.
Ich möchte ihn nicht erziehen. Er ist ein toller Mensch und seine ruhige Art ist oft hilfreich. Wenn er sich in eine Sache reinhängt, schafft er echt viel. Aber ich kann nicht für die Organisation seines Lebens zuständig sein. Wie war es vor mir? Er war 8 Jahre nicht beim Zahnarzt, im Urlaub etc. Behördenkram und Steuererklärung hat sein Vater gemacht.
Wie schaffe ich, dass er sich mehr um wichtige Termine bemüht? Denn unser Sohn schaut sich schon ab, dass ich mich im zweifelsfall um alles kümmere…..

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Du könntest nochmal mit ihm sprechen. Klar sagen, dass er sich in Zunkunft um xy selbst kümmern muss. Was das ist und wann es grundsätzlich erledigt sein sollte, kannst du ihm ja einmal aufschreiben, falls er das nicht weiß.
Sollte er sich nicht kümmern... auflaufen lassen. Er beantragt keinen Personalausweis.. tja, dann geht er halt nicht mit in den Urlaub. Er kümmert sich nicht um den Zahnarzt... dann wird das ggf irgendwann sehr schmerzhaft und teuer.
Du bist nicht seine Mutter. Du kannst nicht mehr tun als ihn aufzufordern und zu erinnern.

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Genau das wR immer meine Einstellung. Ich habe nur nicht die Kinder bedacht. Familienurlaub ohne Papa ist blöd. Wie erkläre ich einem Kleinkind, dass es zum Zahnarzt gehen soll, wenn Papa auch nicht geht?

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Du gehst mit dem Kleinkind zum Zahnarzt, ohne über den Vater zu diskutieren. "Wer nicht zum Zahnarzt geht, bekommt schlechte Zähne und Zahnschmerzen. Willst du das?" Nimm es mit zum Arzt, wenn du hingehst oder geh zu einem spezialisierten Kinderzahnarzt.

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Hey!

Naja, im Grunde musst du deine Dienste einstellen und er muss Konsequenzen spüren.
Kein EZ-Antrag? Dann nimmt er halt keine EZ. Kein Personalausweis? Dann darf er nicht mit in den Urlaub.
Du pamperst ihn leider sehr- so muss er gar keine Verantwortung tragen.
Käme vielleicht eine Therapie in Frage, wenn er Schwierigkeiten hat, sich selbst zu organisieren?

Ich kenne solches Verhalten in milder Form von meinem Vater- bei uns in der Familie gibt es ein paar ADHS-Fälle. Da ist mangelnde Struktur, Organisation und ein geringes Selbstvertrauen auch ein Problem.

Will er sein Leben denn selbst wuppen?

Liebe Grüße
Schoko

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Mein Mann ist auch so.. Auch ich würde ihn gerne mal reinlaufen lassen, bin aber wie du, ebenfalls von den Folgen indirekt betroffen. Wie es vor mir lief? Er hat immer wieder Unmengen von Zeit und Geld (z.B. Bussen für Versäumnisse) investieren müssen für seine Versäumnisse. Daraus gelernt hat er offenbar nicht. Er ist halt einfach so, er ist ein Lebemensch.. Ich werde ihn nicht ändern. So habe ich ihn kennen gelernt und akzeptiere das inzwischen. Wir sind eine Familie, jeder hat Stärken und Schwächen.

Seine Tochter hingegen darf sich so nicht benehmen bei uns. Sie hat sich das Verhalten natürlich auch abgeguckt, da habe ich aber interveniert. Sie ist jedes 2. Wochenende hier zum Umgang und Hälftig in den Ferien. SIE hat sich an gewisse Regeln zu halten auch wenn ihr Vater es nicht tut. Ich weise ihn natürlich darauf hin, dass es suboptimal ist, wenn z.B. ER gewisse Dinge nicht tut, die von ihr aber verlangt werden. Inzwischen weist sie ihn selber darauf hin. "Halt Papa! Erst müssen wir noch XY machen bevor wir Z machen können." Also bei uns funktioniert das sehr gut.

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Hi,
Ist es nur das organisatorische und bürokratische oder klappen auch so Dinge wie Müll runtervringen, Staubsaugen und Einkaufen nicht oder nur nach Aufforderung?
Was hat dir geholfen das akzeptieren zu lernen?

Lg

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Bei uns ist es ganz genauso. Mein Mann bekommt macht weder Steuer noch sonstige Orga-Dinge. Hat früher alles seine Mutter gemacht. Die Folgen davon sah man nach ihrem Tod beim Schwiegervater. Auf der Arbeit geht es komischerweise oder auch bei der Urlaubsorganisation, wenn es um Reiseziele geht, die er besuchen möchte.

Ändern werde ich ihn wohl nicht mehr. Was ich mache:
- wir haben vereinbart, dass ich alle Post öffne. Unterlagen, die ich für Anträge oder Steuer brauche, ziehe ich mir, den Rest bekommt er auf seinen Schreibtisch. Privatsphäre für ihn gleich null, aber das findet er in Ordnung.
- Arzttermine regelt er selbst, oder es macht keiner. Beim Zahnarzt funktioniert es, seit er mal eine ewiglange Behandlung mit starken Schmerzen und hohen Kosten hatte. Ansonsten geht er nicht zum Arzt.
- Die Kinder erziehe ich zur Selbständigkeit. Da wird auch nicht diskutiert. Zur Not zeige ich ihnen die Nachtteile, die mein Mann durch seine Unselbständigkeit hat.

Ich rege mich nicht mehr auf. Es ist sein Leben. Sollte es untragbar für mich werden, muss ich eben Konsequenzen ziehen. Noch passt es für mich.

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Oh je. Das klingt aber echt anstrengend.

Vielleicht könnt ihr Aufgaben anders verteilen, dass du zb seine Termine klar machst, er aber dafür mehr im Haushalt übernimmt. Das wäre ein Deal, mit dem ich - wenn er den funktioniert - dann so auch leben könnte.

Sonst hast du ja zwei Kinder.

Ich glaube nicht, dass du einen eigentlich erwachsenen Menschen durch irgendwas dazu bewegen kannst.
Die einzige Chance die ich sehe ist, dass er mal so richtig auf die eigene Schnauze fallen müsste. Aber so richtig, dass es richtig, richtig weh tut. Erst dann würde vielleicht ein Umdenken einsetzen.
Warum sollte er das denn jetzt? Du machst es doch!
Meiner Erfahrung nach ändern sich Menschen erst dann, wenn sie selbst den Bedarf dazu sehen. Und der wird meistens ausgelöst durch ein Ereignis, das prägend war.

Und ich würde ihn mal fragen, was er für ein Vorbild für seinen Sohn sein möchte. Ihm auch mal klar machen, dass dich das belastet und Zeit kostet, die du anderweitig besser für dich investieren könntest.
Vermutlich ist das aber auch schon geschehen.

Eine andere Lösung wäre, dass du damit lebst, wenn dir ansonsten viel an ihm liegt und der Rest nur 1% Prozent ist, was ihn ausmacht.

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Hallo,

ich möchte dir auch antworten.

Ich habe auch so einen Mann zu Hause.

Vorab: Alles, was ich jetzt schreibe, ist nicht abwertend etc. gemeint, falls das so rüberkommt. Nur manche Dinge muss man halt so beschreiben wie sie sind ohne Zucker drum rum.

Bei uns ist es exakt auch so. Wenig Eigenverantwortung, wenig Initiative, wenig Engagement und der für mich schlimmste Punkt: wenig Mitdenken.

Ich gebe zu, als gestandene und starke Frau hat man da so seine Probleme. Anfangs hab ich das so nicht gesehen und gemerkt. Ich bin eine Macherin und war so in meinem Element, bis ich gemerkt hab, dass er mich quasi zu seiner Mama gemacht hat.

Diese schieflage ist sehr anstrengend und sorgt für viele Konflikte.
Ohne unseren Sohn, ich bin ehrlich, wären wir evtl getrennt.
Ich habe im Laufe der Zeit gelernt, dass ich ihn machen lasse, auch wenn das bedeutet, dass er Dinge vermasselt oder sie schief laufen.
Im Job kann er’s auch, daheim muss er’s lernen.
Ein bisschen besser wurde es.

Wir versuchen uns beide entgegenzukommen. Ich quasi ein bisschen weniger von allem, er ein bisschen mehr.

Ändern wird man das nicht, bzw. müssten solche Menschen längere Zeit alleine leben, ohne Hintergrund. Dann würde es vielleicht besser werden.

Wir geben uns Mühe, sind im Alltag ein Team, aber die große Liebe ist diese Kombi nicht. Dafür haben wir nichts gemeinsam und sind zu sehr im Ungleichgewicht.

Mach das beste draus, aber kümmere dich nicht mehr um alles.
Schwer, musste ich auch lernen, geht aber.

Alles Gute!

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Dein Text hat mich irgendwie berührt und nachdenklich gestimmt. Vor allem Dein Satz "... aber die große Liebe ist diese Kombi nicht"... Ich fühle sooo ähnlich. Unser Sohn ist nur schon älter und ich bin Ende 40. So langsam komme ich ins Grübeln, ob ich so ewig weiter machen möchte.

Ich habe oft das Gefühl, dass ich 2 Kinder hätte. Im Haushalt bleibt der Großteil an mir hängen und eine Lernbereitschaft seinerseits ist nicht da. Er gelobt Besserung, aber es wird nicht umgesetzt.

Ich bin müde. Ich bin genervt. Ich kann es ihm gegenüber aber (noch) nicht in Worte fassen.

Danke für deine offenen Worte!

#herzlich

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Will er nicht oder kann er nicht?

Will er nicht, wird sich nichts ändern. Entweder du machst es oder lebst damit, dass es nicht gemacht wird. Geld wäre mir wichtig, gemeinsamer Urlaub dann nicht. Ich würde nicht mit jemandem fahren wollen, der eh nicht will / nichts dafür tun will.

Kann er nicht, käme es darauf an.
Ich habe selbst AD(H)S und manches fällt mir sehr schwer. Ich mache es, weil ich es als Alleinerziehende "muss" und es niemandem aufhalsen will. Schwer ist es sehr. Mit Diagnose, Aufklärung und Therapie klappt es besser.

Kann jemand nicht und ich sehe, dass jemand will/wollen würde, dann unterstütze ich. Durchaus.
Dann sehe ich aber auch, dass Bereitschaft vorliegt, andere Dinge zu tun.
Wie erwähnt: es gibt einiges, was mir sehr schwer fällt. Im Idealfall ergänze ich mich mit anderen AD(H)S Freunden.

Mir fällt A leicht (bestimmte Sachen zu organisieren) und ich bekomme die Krise, stehe massiv unter Druck und brauche sehr viel Selbstbeherrschung Aufgabe B zu erledigen.

Freund/in ebenfalls mit AD(H)S liebt Aufgabe B und kann sich darin baden. Je mehr davon desto besser. Übernehme ich dann bestimmte organisatorische Aufgaben für sie/ihn und bekomme dafür die für mich anstrengende Aufgabe B erledigt, dann haben wir eine Win-Win Situation.
Voraussetzung !!! es ist gegenseitig, abgesprochen, keine Perfektionserwartung und keine Selbstverständlichkeit.
(Da ich mehrere Freund/innen mit AD(H)S habe und wir verschiedene Aufgaben "umverteilen" bzw. uns gegenseitig unterstützen, habe ich es neutral herausgefischt).

Voraussetzung 2: beidseitiges Wollen ist dabei.
Wer nicht will, da bringt es nichts. Wasch mich, aber mach mich nicht nass, funktioniert NICHT.

Entlastet er dich in vielen anderen Punkten, dann würde ich mit ihm klare Absprachen treffen. Das ist weniger frustrierend, als zu erwarten, dass ich noch was ändert.
Will er nicht oder klappen Absprachen nicht oder überlässt er alles dir, dann würde ich nur noch das tun, was mich finanziell aus der Situation rausbringt.

Nimmt er es für selbstverstänlich, wäre ich verärgert. Ist er froh: Absprachen treffen. Hat er Ansprüche, dass du es nicht gut genug machst, obwohl du es für ihn machst? Dann könnte er sich warm anziehen.

Was mir selbst hilft: ich übernehme Hilfestellungen aus dem Job ins Private.
Wieso klappt es beruflich so gut und warum bekomme ich es privat nicht hin?
Faulheit? Nein. Motivation? Ok, im Beruf etwas mehr wegen Vertrag. Alleine ist es was anderes. In einer Beziehung ist es kein Vertrag, aber Motivation.
Also habe ich mir angesehen, wie ich mir im Beruf Sachen merken kann und habe das System zu Hause übernommen. Wie sehen meine Merklisten im Beruf aus? Gleiches Layout für zu Hause (nur andere Farbe, damit ich nicht aus Versehen die private Liste am Schreibtisch habe und damit ich zu Hause abschalten kann). Aber das Muster ist das gleiche.
Wie kann ich mir Aufgaben besser merken? System zu Hause eingeführt. Klappt.
Voraussetzung: ich will, dass es klappt.

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Tja, ich fürchte er will nicht selbstständig werden, Das Problem sind nur jetzt die Kinder, die sich sein Verhalten abschauen und es mit Selbstständigkeit bei ihnen schwierig wird, weil bei jeder Anforderung dumme Ausreden kommen, die ich irgendwo schonmal gehört habe. Ich denke dann immer an den Satz „Ich lerne, was du machst, nicht was du sagst“…