Gefühle zu meinem Mann verschwinden

Hallo ihr Lieben!

Ich muss kurz meinen Frust rauslassen, denn ich bin schon seit einiger Zeit traurig und durcheinander.. Ich habe bis jetzt mit niemandem darüber gesprochen

Kurze Info zu mir: Mein Mann und ich sind seit 10 Jahren zusammen. Davon 1 Jahr verheiratet. Wir haben ein 1 1/2 jähriges Kind.

Seit Geburt unseres Kindes kriselt es zwischen uns, weil ich der Meinung bin er behandelt mich nicht sonderlich gut..

Einige Beispiele:
Im Wochenbett komplett alleine gelassen. Hatte eine Wochenbettdepression, welche sich später in eine richtige Depression umgewandelt hat. Ich habe 1 Jahr lang nur "funktioniert" und habe all meine Kraft in mein Kind gesteckt und mich selber komplett vernachlässigt.

Im Wochenbett habe ich einmal im Hochsommer nicht den Garten gegossen. Er schrie mich an wie ich sowas nicht gebacken bekomme und ob er alle Pflanzen rausreissen soll, damit wir ihn dann gar nicht mehr giessen müssen. ähm.. ich hatte ein Neugeborenes? Ich war im Wochenbett? Ich kann die Pflanzen doch ersetzen??

Ich hatte vor einem halben Jahr einen Autounfall. Jemand ist seitlich bei mir reingefahren. Als ich ihn angerufen hab und ihm darüber berichtet habe, war er erstmal erschrocken. Als ich dann gesagt habe "ich lege jetzt auf, weil die Polizei mir Fragen stellen möchte und ich mich um unser Kind kümmern muss" und daraufhin aufgelegt habe, hat er mich nochmal angerufen mit den Worten "Warum legst du auf???? Was soll das??" Als ich ihm erklärt habe, dass ich nicht 3 Sachen gleichzeitig machen kann (stand auch unter Schock und wollte einfach nur mit meinem Kind nach Hause) schrie er mich an.. Nach einem Autounfall???? musste mir auch anhören, dass ich unfähig wäre. Bis heute ist er der Meinung, dass er sich für sein Verhalten nicht entschuldigen müsste, weil sein Geschrei berechtigt war.. Darüber habe ich bis jetzt nur mit meiner Therapeutin gesprochen, weil ich mich schäme mit meiner Familie bzw. Freunden darüber zu reden. Eventuell auch weil ich ihn schützen möchte.

Unter diesen paar Dingen und weiteren hat unsere Ehe sehr gelitten. Wenn etwas schief läuft bin ich immer das Problem. Er lässt seinen Frust immer an mir aus und behandelt mich sehr herablassend. Und dann ist er aber wieder super nett und sagt mir wie sehr er mich doch liebt. Ich weiß nicht mehr was ich tun soll, da ich auch möchte, dass mein Kind mit beiden Elternteilen aufwächst. Ich hoffe, dass sich das wieder ändert, aber warte und hoffe ich umsonst??
Ich bin ein sehr loyaler Mensch und deswegen bin ich auch noch bei ihm, aber ich denke auch, dass ich keine Gefühle mehr für ihn habe, weil er mich in 1 1/2 Jahren so schlecht behandelt hat und das so keinen Sinn mehr macht. Irgendwie liebe ich ihn tief in meinem Inneren aber auf der anderen Seite bin ich total genervt von ihm und seinem Verhalten. So behandelt man doch nicht seine Ehefrau?
Ich suche auch ständig die Fehler bei mir und hinterfrage so vieles. Bin ich eventuell das Problem? bin ich zu überempfindlich? :(

Hatte das schon mal jemand und es wurde dann wieder besser?

Sorry, für den langen Text! Bin für jede Antwort dankbar!
Liebe Grüße

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Hallo Anonym,

du hast die Kraft gefunden, deine Traurigkeit über deine Ehe nicht nur mit deiner Therapeutin, sondern auch mit uns zu teilen, dafür vielen Dank.
Du empfindest die Geburt euren Kindes vor eineinhalb Jahren als Wendepunkt in eurer Ehe durch deine dadurch bedingte langdauernde Depression. Seitdem ist dein Mann nicht mehr der Alte, er schreit dich an, verletzt dich und behandelt dich herablassend wie einen Sündenbock für Alles. Dann zeigt er wieder Liebe zu dir, als wäre nichts geschehen. Du fühlst das Ende deiner Ehe nahen und fühlst dich gleichzeitig schuldig an der Entwicklung.

Für mich ist eine lange Depression eine schwerwiegende Erkrankung, die alle bisherigen Gewissheiten im Leben auf den Prüfstand stellt. Die schrittweise Erholung davon hat etwas von einer Neugeburt, von einem tastenden Neubeginn in das Leben, das sich manchmal noch fremd anfühlt. Bei dir kommt noch die Belastung durch das Neugeborene hinzu.

Irgendwie habe ich den Eindruck, dein Mann war von deiner Erkrankung ähnlich überfordert wie du, weil er plötzlich "eine andere Frau" zur Seite hatte. Er hat sich in meinen Augen geweigert, diese neue, schutzbedürftige, unsichere und zutiefst verletzliche Frau an seiner Seite anzunehmen.
Stattdessen hat er nach deiner Schilderung mit Abwehr, latenter und offener Aggressivität gegen dich und die Situation reagiert. Er konnte damit überhaupt nicht umgehen.
Sein Wechsel von Beleidigungen zu tiefen Beteuerungen seiner Liebe zur dir zeigt wohl seine innere Gespaltenheit.

Das entschuldigt natürlich in keiner Weise sein völlig untragbares Verhalten dir gegenüber. Du bist nicht der Sündenbock für alle Probleme in euerer Familie. Auch er hat Verantwortung vor allem dir als kranker Partnerin gegenüber. Aber er verweigert sich bislang, sich der neuen Situation zu stellen. Er hat sie sich nicht ausgesucht, er kann ihr aber nur scheinbar entkommen durch die Zerstörung eurer Ehe.

Du schreibst, du würdest ihn tief in deinem Innern noch lieben, auch dein Mann zeigt ähnliche Gefühle und Signale.
Ich glaube, die letzte Chance für deine Ehe wäre der Mut zur Offenheit um zu sehen, ob es in deinem Mann die Bereitschaft gibt, sich der Situation und damit sich selbst zu stellen.

Hättest du die Kraft, unterstützt durch deine Therapeutin, deinem Mann klar zu machen, dass das emotionale Ende eurer Ehe unmittelbar bevorsteht und das faktische Ende nach aller Erfahrung nachfolgen würde?
Könnte sich dein Mann auch einem Professionellen gegenüber öffnen und all das, was er bisher in sich hinein gefressen hat, einem anderen Menschen anvertrauen (bei den Ehepartnern funktioniert das nach meiner Erfahrung oft schlecht)? Wäre er bereit, etwa mit deiner Therapeutin zu reden oder zu einer Familienberatung zu gehen?