Bald 14 und Jugendamt, Jugendklinik,...

Hallo!

Es geht hier um meinen bald 14-jährigen Neffen. Meine Schwester hat im Moment sehr viele Probleme mit ihm und irgendwie fühl sie sich vom JA völlig im Stich gelassen. Ich kann ihr leider auch gar nicht weiterhelfen, da ich mit der Thematik überhaupt nicht vertraut bin. Deshalb wende ich mich heute mal an Euch.

Mein Neffe war schon immer sehr schwierig und psychisch sehr labil. Ihn nimmt immer alles sehr mit. Tod, Trennungen,..
Meine Schwester hat auch keinen Kontakt mehr zu unserer Mutter. Warum? Meine Mutter ist sehr herrisch und wollte über ihr Leben bestimmen. Aber ihrem Kind hat sie den Kontakt zu Oma immer ermöglicht. Nun ist meine Mutter aber sehr nachtragend und hat ihren Enkel sehr aufgehetzt gegen seine Mutter und will, dass es zu ihr zieht. Meine Schwester will da natürlich verhindern und weiß nicht wie.
Meine Mutter hat auch schon das JA zu ihr geschickt und die haben ihn für 2 Wochen zu einer Plfegefamilie getan. Als er wieder zuhause war, bekam die einen Familienhelfer zur Zeit gestellt, der meinte, das zuhause es immer mehr eskalieren würde und es ins Heim solle. Meine Schwester will das nicht, da es für sie wie eine Niederlage erscheint und will ihr Kind nicht aufgeben. Aber die Situation ist wirklich sehr schlimm zuhause. Er raucht, trinkt, kifft, kommt heim wann er will, tut nichts mehr für die Schule, geht auch körperlich auf seine Mutter los,... Also wirklich schlimm! Meine Mutter hat eben nun so gehetzt, dass mein Neffe auch zu ihr will. Ins Heim geht es nicht, da haut er ab, sagt er.
Da es psychisch auch so labil ist, wollte meine Schwester mit ihm zum Psychologen gehen. Keine Chance. Er geht nicht mit. Dann wollte sie ihn in eine Jugendklinik einweisen lassen. Keine Chance. Er geht nicht mit.
Er will zur Oma und seine Mutter ist eine Schlampe,... Übrigends ist meine Schwester alleinerziehend hat und keinen Partner, da mein Neffe eh alle vergrault.
Nun meint das JA, dass man ihn zu NICHTS zwingen kann. Also wenn er nicht will, dann muss er nicht ins Heim, Jugendklinik,... Er kann das alles selbst entscheinden. Wie kann das sein???
Meine Schwester hat nun vom JA erfahrend, dass er mit 14 ja selber entscheiden kann und dann eben zur Oma will. Meiner Schwester bleibt da nur der Weg zum Gericht.
Das JA hat gesagt, er kann nur eingewiesen werden, wenn er handgreiflich gegenüber seiner Mutter wird, sie die Polizei rufen muss und da wird er auch nur für 2 Wochen aufgenommen.
Ins Heim kommt er auch nicht, auch wenn meine Schwester ihn nicht mehr zuhause haben wollte.
Kann das echt sein? Hat sie keine Möglichkeit ihrem Sohn das zu verbieten? Hilft es was, wenn sie jetzt das geteilte Sorgerecht mit dem Kindsvater macht? Ich kenn mich überhaupt nicht aus und möchte ihr wenigstens ein bisschen helfen.
Sollte es vor Gericht gehen, will meine Schwester natürlich alles zu Sprache gegen meine Mutter bringen. Wir hatten nicht wirklich eine schöne Kindheit. Hat meine Mutter dann eine Chance?
Wir sind alle wirklich ratlos.
Wäre über hilfreiche Antworten sehr dankbar.

LG
Mel

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Ich fand’ Ihren Beitrag unheimlich interessant zu lesen, weil Sie über Ihre eigene Mutter schreiben, dass sie sehr herrisch ist und über Ihr (und das Leben Ihrer Schwester) bestimmen möchte/bestimmt hat. Was sie als extrem negativ bewerten (ich auch) und auch, dass Sie das nicht als eine schöne Kindheit empfunden haben. Was ich total gut nachvollziehen kann, fände ich auch schrecklich.

Dann nimmt Ihr Beitrag aber eine völlig interessante Wendung. Weil Sie Ihre Schwester mit genau den gleichen Eigenschaften beschreiben, wie vorher ihre Mutter. Ihre Schwester möchte bestimmen, wo der Junge wohnt; wie kann es sein, dass ein 14-Jähriger da überhaupt gefragt wird, ob er zu seinem Psychologen möchte; sie betrachtet das eher wie einen sportlichen Wettkampf, wo es Gewinner und Verlierer, Siege und Niederlagen gibt; wie kann man das dem Kind verbieten… Ich denke nicht, dass Ihnen das aufgefallen ist (darum wollte ich das einfach mal schreiben), aber Sie (und wohl auch ihre Schwester) haben scheinbar viele dieser Eigenschaften von Ihrer Mutter übernommen, nur, dass sie diese (bei sich selbst/ihrer Schwester) als positiv und bei Ihrer Mutter als negativ bewerten. Es ließt sich so, als ob nicht nur ihr Neffe psychologische Hilfe braucht, um über einige Probleme hinwegzukommen, die in der Vergangenheit vorgefallen sind.

Aber nun (hoffentlich) etwas hilfreicher. Das Sorgerecht schließt das so genannte Aufenthaltsbestimmungsrecht mit ein. Das heißt, dass Ihre Schwester grundsätzlich erstmal bestimmen kann, wo sich ihr Sohn aufhält und wo nicht. Das schließt sowohl mit ein, dem jungen Mann verbieten/erlauben zu können, am Wochenende bei einem Freund zu übernachten; als auch, ihn z.B. für längere Zeit bei der Mutter wohnen zu lassen. Was Problem mit diesem Recht/dieser Pflicht ist, dass mit zunehmenden Alter der Kinder es immer schwieriger wird, dass in irgendeiner herrischen Form durchzusetzen. Bei einem 5-Jährigen fällt das noch ziemlich leicht, ihm zu verbieten, bei Paul zu spielen, solange das Kinderzimmer nicht aufgeräumt ist (da gibt’s höchstens Tränen und das Spielzeug fliegt gegen die Wand); ein 15-Jähriger knallt ihnen da jedoch möglicherweise »Alte, leck mich am Ar***« ins Gesicht und geht. D.h. sie haben hier zwar theoretisch das Recht/die Pflicht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, können es aber nicht mehr nach ihrem eigenen Willen und Wollen durchsetzen.

Der Gesetzgeber hat im § 1626 II BGB zur elterlichen Sorge ziemlich treffend und überaus pädagogisch definiert: »Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewussten Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.« Also - ohne jetzt mal weiter im Gesetz zu blättern, steht da, dass Ihre Schwester zwar grundsätzlich bestimmen kann, wo ihr Sohn wohnt oder nicht wohnt; der Gesetzgeber das aber nicht als diktatorisches Recht sieht, sondern sich eigentlich gewünscht hat, dass bsw. ein 14-Jähriger und eine Mutter hier irgendwie gemeinsam eine Lösung finden, womit beide Parteien leben können. Im Falle Ihrer Schwester also: Wenn Ihre Schwester auf keinen Fall möchte, dass ihr Sohn bei Ihrer Mutter lebt, und der Sohn wiederum weder bei seiner Mutter, noch in ein Heim möchte … sollte die Frage eigentlich lauten, wo könnte er sonst erstmal unterkommen, bis sich das alles wieder etwas beruhigt hat?

Ansonsten gilt gerichtlich eher das Kindswohlprinzip (§ 1697a BGB), d.h. dass es in diesem Falle recht egal sein wird, was Sie, Ihre Schwester oder Ihre Mutter wollen. Man schaut dann einfach, was das beste für das Wohl des Kindes ist. Wenn die Situation zu Hause so ausgeartet ist, dass er raucht, kifft, trinkt, die Schule schwänzt und sich an keinerlei Regeln mehr hält und dann auch noch auf die Mutter körperlich losgeht … ich glaube nicht, dass man dort erst eine juristische Ausbildung für genossen haben muss, um hier erkennen zu können, dass es dem kindlichen Wohl scheinbar nicht beiträgt, dort weiter leben zu müssen, wenn er das selbst nicht will. Also das ganze ist kein sportlicher Wettkampf. Im Zweifelsfall bleibt hier aber nur, sich rechtlichen Beistand zu suchen. Wobei das Gericht vorläufig-endgültig entscheidet. Das Gericht würde also der leiblichen Mutter den Teil des Sorgerechtes für die Bestimmung des Aufenthalts aberkennen und auf eine andere Person übertragen, wenn es der Meinung ist, dass die Mutter nicht in der Lage ist, zum Wohle des Kindes über den Aufenthaltsort des Kindes zu entscheiden. Z.B., weil sie das eher als Wettkampf sieht, und alles, was nicht heißt »Kind wohnt - koste es, was es wolle - bei mir« mit Niederlage übersetzt wird. Mit der Konsequenz, dass die Mutter danach gar kein Mitspracherecht mehr hat, wo das Kind wohnt oder nicht wohnt.

Was das mit dem Alter 14 auf sich halt; also im Zivilrecht ist geregelt, dass bei getrennt lebenden Eltern mit gemeinsamen Sorgerecht die Eltern selbst regeln können, dass Teile dieser elternlichen Sorge alleine auf einen der beiden Elternteile übertragen wird (vgl. § 1691 BGB). Bsw. das Recht zur Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes. D.h. das beide Eltern zwar Grundsätzlich das Sorgerecht haben, aber einer von beiden bestimmen darf, wo das Kind lebt. Ein solcher Antrag ist jedoch nicht stattzugeben, wenn ein Kind, dass mindestens das 14. Lebensjahr vollendet hat, dem wiederspricht. Im Falle des Aufenthaltsbestimmungsrechtes kann ein Kind also zumindest (indirekt) schon mal bestimmen, bei welchem Elternteil es nicht wohnen möchte. Argumentum e contrario - also im Umkehrschluss - kann ein 14-Jähriger somit auch bestimmen, wo er (im falle von getrenntlebenden Eltern mit gemeinsamen Sorgerecht) wohnen möchte. Das trifft nun aber auf Ihren Falle nicht zu. Es sagt aber zumindest schon mal, dass der Gesetzgeber der Ansicht ist, dass ein 14-Jähriges Kindes durchaus die Reife und Einsichtsfähigkeit besitzt, selbst entscheiden zu können, wo es bsw. wohnen oder nicht wohnen möchte.

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Hallo,

also das war doch eine ganze Menge zu lesen! #schwitz
Aber um den 1. Teil zu kommentieren: Es ist echt super, mal eine Meinung zu lesen, die unabhängig ist. So habe ich das ganze noch nicht gesehen. Aber um es mal zu klären. Ich persönlich bin weder für das eine noch das andere. Ich versuche da unparteiisch zu sein. Was mir aber nicht immer ganz gelingt. Es ging mir nur darum, nach Rat zu fragen und die Möglichkeiten gezeigt zu bekommen. Meine Schwester ist da immer zu stur, um um Hilfe zu bitten. Sie will immer alles alleine schaffen, was aber nicht immer möglich ist.
Nun weiß ich aber, wie die Sachlage aussieht und weiß, dass meine Schwester recht hat. Ich konnte mir das nur nicht so vorstellen. Aber man lernt nie aus!
Ich hoffe wirklich auch, dass sich das ganze klärt und nicht noch weiter eskaliert. Ich wünsche es den beiden von Herzen.
Ich bin ja selbst 2fache Mutter und hoffe, dass ich nie in eine solche Situation komme...
Ich danke Ihnen auf jeden Fall für Ihre Antwort und finde es auch super, mal eine sachliche Meinung zu lesen!
LG
Mel

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dem gibt es nichts hinzuzufügen!

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Hallo,
dieser Beitrag hat mich richtig an meine eigenen Erfahrungen mit meinem 13-jährigen Sohn und dem JA erinnert.
Der Sachstand war ähnlich, außer das es bei uns nicht meine Mutter sondern mein Vater war. Mein Vater hatte schon 2007 gegenüber meinem Ehemann geäußert, dass er mir meine großen Kinder wegnehmen wolle.
Als ich 2009 dann zur ET meines vierten Kindes in die Klinik ging, waren dann meine Großen bei meinen Eltern untergebracht. Meine Tochter kam nach 14 Tagen wieder, mein Sohn wollte nicht zurück weil er mit Opa für die Schule arbeiten wollte, um von der Förderschule runterzukommen.
Ich habe mein Okay gegeben, weil ich meinem Sohn das ja zu der Zeit nicht geben konnte und ihm schulisch nicht im Weg stehen wollte.
Ich war der Auffassung das mein Sohn dann ja nach spätestens einem Jahr wiederkommen würde, aber das wurde von meinem Vater immer wieder mit fadenscheinigen Gründen verlängert.

Auf jeden Fall kam mein Sohn aufgrund einer Gerichtsverhandlung, die sein Vater ins Leben gerufen hatte, im Okt. 2010 zurück zu mir.
Zunächst lief das auch recht gut aber mein Sohn gab mir und seinem Vater die Schuld daran, das er wieder bei mir leben musste und nicht bei seinem Opa. Er lehnte alles, was vom JA kam ab! Hort, Hausaufgabenhilfe...
Er zeigte mir und meiner Tochter seine volle, offene Ablehnung und im vergangenen März haben wir dann mit dem JA alles in die Wege geleitet, das er zurück zu seinem Opa kann, wo er seid Anfang April auch ist.
Es war ein verdammt harter Weg!!! Aber alle Muttergefühle hin oder her, so schwer es mir auch gefallen ist, ich denke es war richtig. Ich selber leide immernoch darunter, aber das zeige ich meinem Sohn nicht, damit muss ich selber klar kommen.
Deine Schwester muss akzeptieren, dass sich ihr Sohn offenbar entschieden hat. Anders wird es nicht gehen und niemand wird glücklich werden können.
Ich wünsche deiner Schwester viel Kraft, das zu begreifen und durchzustehen.

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Hallo,

ich danke Dir für Deine Antwort.
Hoffentlich renkt sich alles wieder ein, oder sie muss es wirklich einsehen, dass es anders nicht geht.
Mit tut sie wirklich leid und ich hoffe, dass ich nieeeee in eine solche Situation komme.
Und ich wünsche auch Dir, dass diese schlimme Zeit vorbei geht. Ich kann mir nicht annähernd vorstellen, wie es Dir damit gehen muss.
Aber meine Oma hat immer gesagt: Reisende soll man ziehen lassen.
Vielleicht hatte sie ja Recht.
Ich denk mir auch, dass es nichts bringt, ihn mit allen Mitteln daheim zu lassen. Irgendwann schlägt er seine Mama vielleicht doch und was dann passiert....
Wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute.
LG
Mel